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Wo das Leben mich hintrug, als ich nicht entschied

Manchmal schreibt das Leben Geschichten, die wir nie bestellt haben. Dunkle Kapitel, in denen wir plötzlich sitzen und uns fragen: Wie um alles in der Welt bin ich hier gelandet? Warum fühlt sich alles so eng an, so schwer, so fremd? Da sind diese Momente, in denen die Welt laut weiterläuft, aber wir uns still in eine Ecke zurückziehen möchten, unsichtbar werden, uns verstecken, als bräuchten wir einen schützenden Kokon, um überhaupt weiteratmen zu können.

Wenn wir ehrlich zurückblicken, führen uns diese dunklen Wege oft zu Kreuzungen, an denen wir damals nicht wirklich entschieden haben. Orte, an denen wir leise weggeschaut haben, weil wir niemandem wehtun wollten. Weil wir glaubten, die Wahrheit sei zu scharf, zu unbequem, zu gefährlich. Wir wollten niemanden enttäuschen. Also haben wir uns selbst enttäuscht.

Es sind diese kleinen Momente, in denen wir nicht zu uns gestanden sind. Wir haben den scheinbar einfachen Weg gewählt. Das Hinausschieben, das Hoffen, dass sich Dinge irgendwie, irgendwann von selbst regeln, ohne dass wir die Bürde der Klarheit tragen müssen. Wir haben Ausreden gefunden, zarte, fast unsichtbare, um Entscheidungen zu vermeiden. Und so sind wir immer tiefer in die Aufopferung gerutscht.

Doch der Weg der Aufopferung ist ein Irrweg. Er nützt niemandem.

Nicht denen, die wir schonen wollten, nicht dem Weg, der eigentlich unserer gewesen wäre und ganz sicher nicht uns selbst.

Denn mit jedem nicht getroffenen Entscheid verliert sich ein Stück unseres Wesenskerns. Wir werden blasser, wir verlieren Richtung und wir verlieren uns. Und plötzlich stehen wir da, mitten in einem Leben, das sich fremd anfühlt, und fragen uns, wie es so weit kommen konnte.

Doch es gibt einen heiligen Moment, der alles verändert: den Moment des Zurückgehens.

Wenn wir den Mut finden, innerlich zu jener Abzweigung zurückzukehren und uns selbst zu fragen:

Wovor hatte ich damals eigentlich Angst? Welche Wahrheit wollte ich nicht aussprechen? Welche Konsequenz nicht tragen? Welche Konfrontation vermeiden?

Dann öffnet sich ein Feld. Ein stiller Raum, in dem wir wieder ein Stück unserer Wahrheit berühren.

Ein Raum, in dem wir uns selbst wieder begegnen.

In diesem Erkennen beginnt Selbstvergebung. Sie ist kein großes Feuerwerk. Sie ist eher ein sanftes inneres Aufatmen.

Wir sehen plötzlich klar, dass es nicht Bosheit war, nicht Schwäche, sondern Angst. Unbewusste Angst, die uns geführt hat. Angst, die uns aus der Mitte gezogen hat.

Und indem wir die Angst erkennen, verliert sie ihre Macht.

Wir beginnen, uns selbst wieder einzubeziehen.

Unsere Würde kehrt zurück, unsere Klarheit und unsere Stärke.

Und dann passiert etwas Wunderschönes: Wir werden wieder ein Stück ganzer.

Das Leben kommt wieder in Fluss.

Unsere Wahrnehmung wird weiter, feiner, wahrer.

Wir spüren uns selbst wieder, wir fühlen unsere Mitte, unsere Kraft. Unsere Selbstermächtigung.

Und plötzlich verändert sich alles. Nicht laut. Aber tief. Unwiderruflich.

Denn wenn wir uns selbst zurückholen, holt sich das Leben uns zurück.

Und aus der dunklen Geschichte wird kein Makel mehr sondern ein Tor.

Ein Tor zur Freiheit.

ree

 
 
 

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