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Was, wenn wir alles benutzen?

Was, wenn die Vergangenheit nicht einfach nur geschehen ist, sondern wir sie festhalten wie ein altes Buch, das wir immer wieder aufschlagen – nicht um zu lernen, sondern um uns zu erinnern, warum wir nicht weitergehen können?

Was, wenn wir unseren Partner nicht nur lieben, sondern ihn auch brauchen, um nicht hinsehen zu müssen, wo wir uns selbst nicht lieben?

Was, wenn die Arbeit, die uns erschöpft, nicht nur ein Ort des Broterwerbs ist, sondern ein Alibi – ein Vorwand, um nicht endlich den Ruf der Seele zu hören?

Was, wenn all das – die Umstände, das Wetter, die Kinder, die Politik, der Körper, das Konto – nur Stellvertreter sind für etwas Tieferes: die Angst, in unsere Kraft zu kommen?

Denn in unserer Kraft zu stehen bedeutet, keine Ausreden mehr zu haben. Es bedeutet, das Licht nicht länger unter dem Scheffel zu verstecken und Verantwortung für das eigene Leuchten zu übernehmen. Das klingt nach Freiheit, doch fühlt sich manchmal an wie eine Last. Denn wir haben so lange gelernt, klein zu bleiben, dass Größe uns fast fremd erscheint.

Stell dir Anna vor. Anna ist 42, kreativ, feinfühlig, klug. Sie hatte als Kind große Träume – sie wollte schreiben, berühren, bewegen.

Doch heute arbeitet sie als Assistentin in einem Büro, in dem man ihre Stimme kaum hört. Ihr Mann sagt oft: „Du bist zu sensibel.“ Ihre Mutter meinte einst: „Mach lieber was Sicheres.“

Und Anna hat geglaubt, dass sie falsch ist. Sie sagt: „Ich würde ja, aber...“„Ich kann nicht, weil...“„ Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt...“

Und irgendwann sagt sie nur noch:„So ist das Leben.“

Doch tief in ihr lebt noch dieses Mädchen mit dem Notizbuch unter dem Kopfkissen und den Worten im Herzen, die geschrieben werden wollen.

Wie können wir den Glauben an uns wiederfinden?

Nicht, indem wir alles auf einmal ändern. Sondern indem wir aufhören, uns selbst zu benutzen. Indem wir erkennen, dass wir unsere Geschichte nicht länger gegen uns wenden müssen. Dass der Schmerz nicht der Feind ist, sondern der Zeiger auf unsere Quelle.

Der Weg zurück beginnt mit einem einfachen Schritt: Jemanden zu finden, der an uns glaubt, wenn wir es selbst nicht können. Ein Freund, ein Lehrer, ein Fremder mit offenem Herzen. Und wenn niemand da ist, dann beginne, die Stimme zu werden, die du selbst gebraucht hättest.

Stelle dir vor, wie es wäre, wenn du dich selbst beim ersten Schritt beobachtest –nicht kritisch, sondern mit Liebe. Wie ein Gärtner, der weiß, dass auch aus einem unscheinbaren Samen eine große Blüte wachsen kann.

Du musst nicht alles wissen. Du musst dich nur erinnern: Du warst nie klein. Du hast nur vergessen, dass du groß bist.

Und die Kraft, die du suchst, ist nicht irgendwo da draußen – sie wartet still unter dem, was du lange geglaubt hast, nicht zu sein.



 
 
 

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