Retter in der Not
- Tom & Alex
- 22. Mai
- 2 Min. Lesezeit
Kinder kommen nicht auf die Welt, um uns zu gehorchen. Sie kommen, um uns zu erinnern. An Liebe. An Verbundenheit. An unsere wahre Größe.
Da ist zum Beispiel unser Enkel. Voller Begeisterung lernt er alle Automarken auswendig, die Traktoren kennt er sowieso schon. Kein Wunder, denn Kraft, Bewegung und Richtung faszinieren ihn. Eines Tages sehen wir einen riesigen Dodge RAM, ein gewaltiger Pickup, der wie ein Symbol für Macht und Abenteuer wirkt. Ohne zu zögern sagt er: „Wenn ich groß bin, kauf ich mir genau dieses Auto, nur in Schwarz.“ Und als ich zögere, nachdenke, einwende, dass dieser Wagen viel Sprit braucht und teuer ist, schaut er mich nur an und sagt:„Wenn ich gross bin und wenn du zu wenig Geld für den Dodge RAM hast, kauf ich ihn dir.“
Dieser Satz hat mich tief berührt. Denn Kinder wollen retten. Sie wollen uns retten.
Sie spüren intuitiv: Wenn es den Erwachsenen gut geht, dann sind sie in Sicherheit. Ihr kleines Herz erkennt, was unser großer Verstand oft übersieht: Das Leid, das Schweigen, die Sorgen – sie sind spürbar, selbst wenn niemand darüber spricht. Und so beginnen sie zu handeln: Mit einem Lächeln, einem Angebot, einem „Ich mach das für dich“. Nicht, weil sie müssen – sondern weil sie lieben.
Doch genau aus dieser Liebe entsteht oft ein gefährliches Muster. Sie versuchen es allen recht zu machen. Weil sie glauben, dass sie nur dann liebenswert sind. Weil sie hoffen, damit die Welt heil zu machen. Und weil sie nicht erkennen können, dass das Leid, das sie spüren, gar nicht aus ihrer Verantwortung stammt.
Manche Kinder behalten dieses Muster ein Leben lang. Sie werden zu stillen Helfern, zu Perfektionisten, zu Unsichtbaren. Andere schlagen irgendwann in die Gegenrichtung aus: Sie rebellieren, trotzen, verweigern sich jeder Anpassung. Denn sie haben erfahren, wie weh es tut, sich zu verausgaben, ohne gesehen zu werden.
Doch beide Wege, die Aufopferung und der Trotz, sind nur Spiegel einer viel tieferliegenden Sehnsucht: Gesehen zu werden, so wie man ist. Geliebt zu werden, ohne Leistung.
Was wäre, wenn wir als Erwachsene beginnen, die Geschichten hinter unserem eigenen Schmerz zu erkennen? Was wäre, wenn wir begreifen, dass auch unsere Eltern einst Kinder waren, die retten wollten? Wenn wir verstehen, dass Enttäuschungen nicht das Ende der Liebe bedeuten, sondern nur zeigen, wo sie vergessen wurde?
Vergebung ist keine Schwäche. Sie ist ein Akt der Stärke. Denn wer vergibt, löst sich aus dem Netz alter Rollen und kehrt zurück in die eigene Größe und ins Hier und Jetzt.
Und genau das ist es, was Kinder uns lehren, auch wenn sie es selbst noch nicht wissen: Dass wir alle nur hier sind, um unsere Größe zu leben. Nicht aus Arroganz. Sondern aus Liebe. Nicht für den Applaus. Sondern weil diese Welt Licht braucht. Und das beginnt in jedem von uns.
Vielleicht müssen wir nicht einmal die ganze Welt retten. Es genügt, ein Kind zu sehen, wirklich zu sehen. Denn manchmal beginnt Heilung dort, wo ein kleiner Mensch sagt:„Wenn du’s brauchst, schenk ich’s dir.“
Und wir antworten mit dem Mut, endlich anzunehmen, was wir längst sind:
Geliebt. Groß. Genug.

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