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Einladung in die Freiheit

Wir alle tragen Bilder in uns. Vorstellungen, wie unser Leben verlaufen soll. Vielleicht begannen diese Bilder schon in unserer Kindheit, geformt aus dem, was wir bei anderen sahen, aus dem, was man uns sagte, oder aus dem, was wir selbst so schmerzlich vermissten.

Mit der Zeit formten wir daraus eine Vision: In fünf Jahren möchte ich…

In zehn Jahren soll es so sein…

Wir träumen, planen, setzen Ziele. Und während wir durch den Alltag navigieren,halten wir, oft unbewusst,an diesen inneren Landkarten fest. Sie geben uns ein Gefühl von Kontrolle, von Sicherheit und von Richtung.

Doch das Leben hat seine eigene Dynamik.

Plötzlich begegnen uns Menschen, die nicht Teil unseres Plans waren, und doch alles verändern. Ein Job, auf den wir hingearbeitet haben, entzieht sich unserer Reichweite. Eine Beziehung, in der wir Geborgenheit und Wachstum suchten, bringt Schmerz, Stillstand oder gar Entfremdung.

Und irgendwann, oft ganz leise, stellen wir uns die Frage: Was ist passiert? Wo bin ich falsch abgebogen? Warum hat das Leben mich nicht gesehen? Warum habe ich nicht gespürt, dass es nicht der richtige Weg war?

In solchen Momenten beginnt etwas in uns zu arbeiten, unter der Oberfläche. Wir schauen zurück und versuchen, Schuldige zu finden, in anderen, im Leben oder in uns selbst.„Hätte ich doch nur…“„Warum konnte er nicht…?“„Wenn sie doch nur ein bisschen mehr…“

Diese Fragen tragen eine stille Verzweiflung in sich. Und sie nähren eine unsichtbare Spirale: eine Spirale aus Schuld, Enttäuschung, aus Rückzug und Resignation.

Zuerst merken wir es kaum. Wir sagen seltener Ja. Wir träumen kleiner. Wir reden uns ein, dass wir zu viel wollten, zu naiv waren, zu vertrauensselig. Wir passen uns an. Nicht aus Reife, sondern aus Müdigkeit. Und irgendwo dazwischen beginnt ein Teil von uns, sich selbst zu bestrafen.

Nicht dramatisch. Still. Indem wir uns Gutes versagen. Indem wir dem Leben die Tür nur noch einen Spalt breit öffnen. Indem wir sagen: „Ich brauche nichts mehr“ – und es auch glauben. Doch unter diesem scheinbaren Verzicht liegt oft etwas anderes: ein trotziger Schmerz, eine kindliche Hoffnung, dass jemand doch noch sieht, was uns fehlt. Dass jemand kommt und uns sieht. Uns rettet.

Doch das geschieht oft nicht. Die Welt reagiert nicht auf unseren stillen Rückzug. Und wir beginnen zu glauben: Ich bin allein. Ich bin nicht wichtig. Ich bin zu viel. Oder zu wenig.

Aber genau hier liegt ein Wendepunkt. Ein unsichtbarer Schwellenmoment.

Denn wenn wir ehrlich hinschauen, sehen wir, dass unsere Erwartungen an uns, an das Leben, an die Liebe aus einem alten Mangel kamen. Aus dem Wunsch, gesehen, gehalten oder gewürdigt zu werden. Wir projizierten unsere Bedürfnisse auf Situationen und Menschen, in der Hoffnung, sie würden erfüllen, was wir selbst in uns verloren glaubten.

Und wenn wir begreifen, dass niemand kommen muss, um uns zu retten, weil wir längst alles in uns tragen. Dann geschieht etwas Unerwartetes: Ein Raum öffnet sich.

Nicht weil wir kämpfen. Sondern weil wir loslassen. Nicht weil wir uns beweisen. Sondern weil wir uns erinnern.

Wir müssen niemandem mehr die Schuld geben. Nicht dem Ex-Partner. Nicht den Eltern. Nicht dem Chef, dem Schicksal oder uns selbst.

Denn tief in uns existiert etwas, das nie verletzt wurde. Etwas, das frei ist.Ewig. Unversehrt und unabhängig von jeder Geschichte.

Wenn wir beginnen, mit diesem inneren Ort in Kontakt zu treten,verändert sich alles. Nicht unbedingt im Außen, aber im Erleben. Die Welt wird nicht weicher, aber wir werden durchlässiger. Das Leben wird nicht einfacher, aber wir begegnen ihm mit mehr Wahrheit.

Und plötzlich sehen wir, wir haben nie wirklich verloren. Nur etwas gesucht, das immer schon da war.

Wenn wir aufhören, uns selbst für vergangene Entscheidungen zu bestrafen, wenn wir die alten Pläne loslassen, und das Jetzt wirklich betreten, dann entsteht eine neue Form von Freiheit:

Die Freiheit, uns selbst zu vergeben. Die Freiheit, die Kontrolle aufzugeben. Die Freiheit, unser Herz wieder zu öffnen.

Und dann erkennen wir: Es war nie falsch. Nur menschlich. Und es ist nie zu spät. Nur anders. Wir beginnen, das Leben nicht mehr mit der Brille der Erwartungen zu sehen, sondern mit dem Blick der Präsenz. Und was wir sehen, ist keine Welt, die uns retten muss, sondern eine Welt, die uns einlädt, wieder zu leben.

In Freiheit. In Wahrheit. In Liebe.



 
 
 

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