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Der Weg zurück zu uns selbst

Schon als kleine Kinder beginnen wir, unser Ego zu formen. Nicht aus Bosheit, nicht aus Eitelkeit, sondern aus Notwendigkeit. Es ist unser Schutzschild, unser Überlebensmechanismus in einer Welt, die wir noch nicht verstehen und in der wir nicht anders können, als alles auf uns zu beziehen.

Stellen wir uns ein dreijähriges Kind vor. Es sitzt still auf dem Teppich, während im Nebenzimmer die Stimmen seiner Eltern lauter werden. Wieder ein Streit. Wieder Tränen, Wut, Schweigen. Und in seinem kleinen Herzen formt sich ein Gedanke, leise und doch prägend: "Wenn ich nicht da wäre, würden sie sich vielleicht nicht streiten."

Hier fällt ein inneres Urteil. Die Schuld wird übernommen. Nicht, weil das Kind wirklich verantwortlich ist, sondern weil es die Welt noch nicht anders interpretieren kann. In diesem Moment wird ein Grundstein des Egos gelegt.

Was folgt, ist ein unbewusster Beschluss. Vielleicht entscheidet sich das Kind: „Wenn ich mich ganz still verhalte, dann gibt es keinen Streit.“ Es lernt, sich zurückzunehmen, nicht aufzufallen, leise zu sein. Nicht aus Charakter, sondern aus Angst. Oder es geht den anderen Weg: „Wenn ich laut bin, lenke ich die Aufmerksamkeit auf mich. Dann hören sie vielleicht auf, sich gegenseitig zu verletzen.“ Dann wird es zum Störenfried, nicht weil es destruktiv ist, sondern weil es retten will.

Beide Strategien sind nichts anderes als frühe Kompensationsversuche. Versuche, mit einer Welt zurechtzukommen, die zu groß, zu laut und zu verwirrend ist. Aus diesen Überlebensmustern entsteht ein Ego. Ein Ego, das kontrolliert, dass sich schützt, das nach Sicherheit sucht, das keine Veränderung will, um nicht wieder diesen Schmerz zu fühlen.

Mit den Jahren werden diese Strategien perfektioniert. Sie erscheinen uns irgendwann als „wir selbst“. Doch in Wahrheit sind sie das nicht. Sie sind ein Schutzprogramm. Und dieses Programm kostet. Es kostet Energie. Es kostet Freiheit. Es kostet Lebendigkeit. Denn die Welt, die wir zu kontrollieren versuchen, darf nie zu nah kommen. Wir lassen Nähe nur bis zu dem Punkt zu, an dem unsere Konstruktion nicht gefährdet wird.

So entsteht Einsamkeit. Nicht unbedingt äußerlich, wir sind von Menschen umgeben, aber innerlich. Wir sind getrennt von uns selbst. Unsere Träume, unsere Sehnsüchte, unsere wilde, freie Natur. Wir haben sie vergessen oder unter Verschluss gestellt.

Doch das Leben ist vielfältig. Es zeigt uns Wege zurück. Wenn wir den Mut haben, unsere Schatten anzuschauen, wenn wir die alten Missverständnisse aufdecken, dass wir niemals schuld waren, dass wir nichts retten mussten, dass wir einfach nur Kinder waren, dann beginnt sich etwas zu lösen.

Die Kompensation weicht. Die Kontrolle darf nachlassen. Und in uns entsteht ein Raum, den wir oft lange nicht mehr gespürt haben. Ein Raum, in dem wir uns selbst wieder begegnen.

Selbstinklusion ist der Schlüssel. Uns selbst wieder mitnehmen in unser Leben, mit allem, was wir sind. Mit den Tränen von damals, mit den Stimmen, die wir nicht verstanden haben, mit der Sehnsucht, die wir so lange verdrängt haben.

Und je mehr Verbindung wir zu uns selbst finden, desto tiefer wird die Verbindung zu anderen. Denn dann braucht es keine Kontrolle mehr, keine Masken, keine Rolle. Dann darf Beziehung wieder echt sein. Und aus der alten Trennung wird neue Nähe.

Das Ego, so früh geboren, darf ruhen. Und wir dürfen endlich wir selbst sein.

ree

 
 
 

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